Portfolio

Arbeitswelt

05.09.2023 – 23 FILME S/W 4 FILME COLOR – RUNDFAHRT SCHIEFERGEBIRGE 461KM

„Sie säen nicht, sie pflegen nicht, sie ernten nicht, wissen aber alles besser!“ Diesen Kommentar zur aktuellen Landwirtschaftspolitik habe ich vielerorts gelesen. Ich treffe André Frank Telle, Geschäftsführer der Agrar eG Heberndorf (TH). Allgemeinplätze sind seine Sache nicht. Er ist aktiv in der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Thüringens. Die öffentliche Wahrnehmung von Landwirtschaft sieht er durch eine ideologisierte Politik völlig verzerrt: „Jeder vernünftige Landwirt ist schon aus Selbsterhaltungstrieb am Erhalt seiner natürlichen Ressourcen interessiert.“ Gerade hat sich das Kompetenznetzwerk „Zukunftsorientierte Landwirtschaft“ im Bund aufgelöst. Die Borchert-Kommission wollte helfen, impulsgesteuerte Entscheidungen zu vermeiden. So unterlaufe die Kennzeichnungspflicht alle Konzepte zum Tierwohl, meint Frank Telle: „Unkontrollierten Importen wird Vorschub geleis- tet, was mit hohen Belastungen für Tier und Umwelt verbunden ist. Die größte Chance läge darin, regionale Produkte wieder schätzen zu lernen.“ 

Skizzen

Die Freiheitsstatue in Mühlhausen (TH) fällt in der Nacht durch LED- Geflacker auf. In Tann (HE) macht ihr Pendant knallbunt Werbung für eine Burger-Bar. Leider ver- hinderte bisher schlechtes Licht eine Aufnahme. Wir sind gefangen in hohlen Phrasen, die dennoch unsere geheimsten Sehnsüchte transportieren. Auch wenn ich wünschte, es wäre Ironie, glaube ich doch, dass es alles ernst gemeint ist. 

Demonstrationen

Gute Straße – böse Straße! Eigentlich hielt ich seit 1989 die Zeit des Betroffenseins beim Fotografieren für vorbei. Zunehmend werden Widersprüche in unserer Gesellschaft öffentlich ausgetragen, und ich bemühe mich, gerecht zu sein. Ich arbeite im direkten Augenkontakt und habe das Gefühl, dass man gesehen und auch fotografiert werden will. Bei der Großdemonstration zum Tag der Deutschen Einheit auf dem Eisenacher Marktplatz 2022 erkenne ich Handwerker und Gewerbetreibende aus der Stadt, übersehe aber auch die wenigen Extremisten nicht. Wenn ich mich umschaue, hat die überwiegende Zahl der Demonstranten Wendeerfahrung. Ich fühle mich als Zeitzeuge. Das ist nicht die Zeit für pauschale Urteile. 

Grenzreste

„Mönchengladbach – es fährt ein der grenzüberschreitende D-Zug ...“ – „Der Interzonenzug kommt!“, sagt Oma und hält mich fester.
Riesige Speichenräder kommen fauchend neben mir zum Stehen. „Reko-Schnellzuglok 01.5, Achsfolge 2‘C1‘“, stellt mein Bruder fachmännisch fest. Ich träume von Mönchengladbach, diesem fernen verwunschenen Ort, zu dem nur Menschen in Pelzmänteln oder mit Perlenketten fahren dürfen, so wie unsere Tante Ilse. Gepäck- träger Nr. 1 mit Schirmmütze ist zur Stelle und stemmt ihren riesigen Koffer, dafür gibt es eine Westmark. Der Bahnhof riecht nach Schmieröl und Pisse. Kurz vor der Wartehalle streift mich ein Hauch von Bubblegum und Persil. Der INTERSHOP ist eine bunte Insel im Grau und riecht wie meine Tante. So muss es sein, denke ich, in Mönchengladbach ... 

Kultur

18. 10. 2022 4 FILME S/W 

Was für ein Theater – 1879 mit Eisenacher Bürgerstolz gegründet, 1945 mit Lessings Nathan wiedereröffnet, ein Drei-Sparten-Haus bis zum Ende des traditionsreichen Schauspiels 1993. Für mich als Jugendlichen eine Insel der Wahrhaftigkeit und der Zwischentöne in der DDR. Nachdem ich die Eisenacher Ballettcompany bei Proben fotografierte, heute ein Porträt mit Ballettdirektor Andris Plucis. Diese Truppe hat, was mir in meiner Heimatstadt oft fehlt: Hier geht es um Qualität, nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner. Andris Plucis, als Engländer am Royal Ballet in London ausgebildet, ist mit anderen Grenz- erfahrungen aufgewachsen als ich. Wir sprechen über Standes- und Klassen- grenzen, die sich schon in der englischen Muttersprache manifestieren. Ich glaube, mein Bild macht deutlich, was ihm in seiner Arbeit heute am wichtigsten ist. Mit einer Einschränkung: Sein Fußballclub heißt Cholchester United. For ever! 

Porträts

Die einen bauen Türme, um rüberzuschauen, die andern, damit niemand rübermacht. Im Ergebnis steht eins dem anderen an Hässlichkeit nicht nach. Der Bayernturm bei Sulzdorf an der Lederhecke ist dem Denkmal Bodesruh bei Heringen sehr ähnlich. Beide Türme waren Ausflugsziele, beide sind in die Jahre gekommen. Die angrenzenden Wirtshäuser haben schon bessere Zeiten gesehen. In Bodesruh hält Birgit Schalk in einer Art Freiluftkiosk die Stellung. Das Bier, was sie zapft, ist über jede Kritik erhaben. Seit 1977 bewirtschaftete sie mit ihrem Mann neben dem Kiosk eine Gaststätte, die heute geschlossen ist. In den Hochzeiten des Grenztourismus kamen Gäste mit Bussen, um nach Großensee in Thüringen zu schauen. Da wurden schon mal 800 Würste am Tag gebraten. 

Prozessionen

02. 04. 2023 12 FILME S/W 181 KM

Was für ein Dorado für s/w-Fotografen! Das große Vortragekreuz wiegt 90 kg und wird von sieben Männern getragen – und das nur mit weißen Handschuhen. Palmsonntag in Heiligenstadt (TH): Teilnehmen, nicht gaffen, ist die Devise. So etwas habe ich zum letzten Mal in Granada (Spanien) fotografiert! In Heiligenstadt kommt man jedoch ohne Düsternis aus. Am Ende steht eine Predigt, die beeindruckend schlicht und tagesaktuell ist, ohne sich in Plattitüden zu verlieren. Der Bischof spricht seinen Segen. Man könnte meinen, es gäbe sie noch, die Volksfrömmigkeit. Die Prozession führt auch am Wahlkreisbüro eines im Moment nicht unbekannten Politikers vorbei. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen und drücke ab. Der Schmerzensmann wendet sein Haupt. Er hat schon manchen falschen Propheten kommen und gehen gesehen. 

Vereine

03.02.2023 + 10.02.2023 17 FILME S/W
570 KM

Fahre durchs Lautertal (BY) Richtung Coburg. Was ich für eine Transportseilbahn halte, ist tatsächlich ein Skilift! In Zeiten, als das Wünschen noch half, war der Inselsberg, mein Tummelplatz im Skiverein des VEB Automobilwerkes Eisenach, immer dick verschneit. 1990 endlich meine erste Abfahrt in Österreich! Ein Skilehrer wurde auf uns Ossis aufmerksam und fragte, wo wir so gut Skilaufen gelernt hätten. Als ich, heimatstolz die 916 m unseres Hausberges erwähnte, meinte er: „Mei, sapperlot noch mal, was für ein tiefes Loch!“ Das hätte er auch zu den Sportfreunden des WFC Coburg- Neukirchen sagen können, deren Bergstation auf 400m liegt. Vorsitzender Ullrich Flurschütz (Bild links) bringt mit seinen Sportfreunden dennoch jedes Jahr Coburg auf die Bretter, selbst wenn man dem Winter mittlerweile etwas nachhelfen muss. 

Feste & Feiern

22. 02. 2023 24 FILME S/W 451 KM

Hirschberg (TH) feiert die 50. Närrische Sitzung! 43 Vereine sind angereist, viele mit Beiträgen zum Programm. Der riesige Saal ist überfüllt. Die Stimmung steigt mit jeder Programmrakete. Die Tanzeinlagen sind spektakulär und auch die Herren zeigen mehr als wabernde Bäuche im Schwanenseetakt. Ganz ohne Bastrock jedoch geht die Chose nicht, und auch die Bütt ist so frech, wie man es am Faschingstag erwarten darf. Zum siedenden Höhepunkt fährt dank modernster Bühnentechnik der diesjährige Karneval in sein Grab. Da werden manchem Jecken die Augen feucht, vielleicht auch vor Lachen mit Blick auf die nächste Saison. 

Bischofferode

14.07.2023
11 FIME S/W
4 FILME COLOR

Fast zu viel für einen Tag: die roten anhydritgefärbten Halden in bestem Licht und die Probe der Kirmesgesellschaft vor der Kirche in goldener Abendsonne! Auf der Heimfahrt höre ich eine führende Bundespolitikerin im Radio, „einige Ostdeutsche sind auch mehr als dreißig Jahre nach der Wende nicht in der Demokratie angekommen und irgendwo in der Diktaturverherrlichung hängen geblieben“. Ich muss an Gerhard Jüttemann denken und krame meine Aufzeichnungen über ihn hervor: Vertrauensmann, Betriebsrat, Aufsichtsrat bei K+S, Sitz im Kreistag, aktiv in Vereinen. „Nach der Wahl zum Mitglied des Deutschen Bundestages habe ich mit dem Schweißbrenner meinen Arbeitsplatz demontiert.“ Da scheint mir einer in der Demokratie hängen geblieben zu sein. 

Kulturlandschaften

„Der Rennsteig, Höhenweg des Thüringer Waldes, beginnt bei Eisenach auf der Hohen Sonne und endet nach 105 km in Neuhaus am Rennweg.“ Der DDR-Wanderführer unterschlug 65 km des Weges durch Schiefergebirge und Frankenwald – Grenzgebiet! In dieses Niemandsland drang ich 1990 zum ersten Mal vor. Der Zugang zur Saale in Blankenstein war noch immer durch eine Mauer versperrt. Bei Rodacherbrunn schlüpfte man zwischen Minenbändern durch Löcher im Streckmetallzaun. Der Todesstreifen begann sich verschämt zu begrünen. Die erste Nacht verbrachte ich mit einem Freund bei Grumbach auf einem Grenzturm BT 4x4. Eigentümlicherweise machte ich nur dieses eine Bild von den Sperranlagen (rechts). Der Drops war für mich gelutscht. Im Laufen, der Heimat entgegen, kam für mich endlich zusammen, was zusammengehört. 

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